Landkreis Stade. Knapp 2.800 Schulanfängerinnen und -anfänger untersucht das Team vom Kinder- und Jugendärztlichen Dienst des Landkreises Stade bis zu den kommenden Sommerferien – Tendenz steigend. Eine Herausforderung für die Mitarbeitenden des Kreisgesundheitsamtes, die sie aber gerne meistern. Schließlich ist die verpflichtende Schuleingangsuntersuchung enorm wichtig: Der schulrelevante Entwicklungs- und Gesundheitszustand der Kinder wird hier ermittelt.
Konzentriert sitzt Luise auf dem Kinderstuhl. Sie trägt große Kopfhörer, in der Hand hält sie einen Melder mit Taste. Immer wenn die Fünfjährige einen Ton hört, soll sie den Knopf drücken, so hat es Stephanie Witt ihr erklärt. Die Medizinische Fachangestellte übernimmt den ersten Teil der Untersuchung. Neben dem Hören wird zum Beispiel auch das Sehvermögen überprüft. Jede einzelne Aufgabe erklärt Stephanie Witt geduldig und kindgerecht, währenddessen füllt ihre Mutter einen Fragebogen aus. „Wir möchten die Familie kennenlernen“, erläutert die erfahrene Fachkraft. „So können wir die Kinder und die Familiensituation besser einschätzen.“ Denn auch die Eltern und die familiären Gegebenheiten müssen mitbedacht werden – ohne dies zu beurteilen.
Während Luise mit ihrer Mutter zum Stader Gesundheitsamt gekommen ist, findet die Mehrheit der Schuleingangsuntersuchungen dort nicht statt. Vorwiegend die Kinder der Hansestadt Stade werden dorthin geladen. In den weiteren Kommunen wird die Untersuchung in den Schulen durchgeführt. Der Ablauf ist wiederum immer gleich – ebenso wie das Ziel. Mit standardisierten Tests werden die sprachlichen, motorischen, sozial-emotionalen und kognitiven Fähigkeiten, das Zahlen- und Mengenverständnis sowie die Körpermaße und körperliche Gesundheit überprüft. Ziel ist es, den Entwicklungs- und Gesundheitszustand ärztlich festzustellen. Dafür haben knapp 30 niedersächsische Landkreise die Inhalte der Schuleingangsuntersuchung abgestimmt.
„Eine Schuleingangsuntersuchung ist aber kein Test, keine Prüfung! Wir beraten die Familien, informieren die Schulen über schulrelevante Befunde, sprechen Empfehlungen über die Schulfähigkeit aus und beantworten Fragen“, betont die Kinderärztin Dr. Christine Hartwig. „Ob ein Kind eingeschult wird, entscheiden die Grundschulen.“ Oder aber die Eltern: Denn bei sogenannten Flexi-Kindern, die also im Einschulungsjahr im Juli, August oder September sechs Jahre alt werden, können die Erziehungsberechtigten entscheiden, ob ihr Kind noch ein weiteres Jahr die Kita besucht.
Die Leiterin des Kinder- und Jugendärztlichen Dienstes plädiert dafür, Flexi-Kinder eher ein Jahr in der Kita zu lassen – auch wenn ihr bewusst ist, dass mitunter noch viel zwischen der Untersuchung und Einschulung passieren kann: „Selbstverständlich ist das eine individuelle Entscheidung, jedes Kind ist anders. Aber in einem weiteren Kita-Jahr kann das Kind seine Fähigkeiten erweitern, noch mehr Selbstbewusstsein aufbauen und startet dann gestärkt in die Schule.“
Gestärkt werden sollen die Mädchen und Jungen ebenso, wenn sie die für den Schulalltag erforderlichen Fähigkeiten noch nicht ausreichend entwickelt haben. Dann beraten und informieren die Ärztinnen und Ärzte, wie die Kinder im häuslichen Alltag zusätzlich gefördert werden können oder verweisen gegebenenfalls an weitere Ärzte oder Therapeuten, um durch gezielte Förderung im besten Fall noch vor Schulbeginn die Lernchancen des jeweiligen Kinders zu erweitern. Außerdem weist das Gesundheitsamt auf schulrelevante Förderbedarfe des Kindes hin, damit diese in der Schule berücksichtigt werden können. Schließlich möchte jedes Kind lernen, manchmal braucht es dafür nur etwas Unterstützung.
Der Anteil ärztlicher Abklärungsempfehlungen hat zugenommen – auch wegen der Corona-Pandemie, so Christine Hartwig: „Die Auswirkungen stellen wir durchaus fest.“ Genau deswegen sei es so wichtig gewesen, dass das Gesundheitsamt in den vergangenen Jahren trotz der teils strengen Corona-Regelungen alle Schuleingangsuntersuchungen durchgeführt hat. „Die fünf medizinischen Fachangestellten sowie sechs Ärztinnen und Ärzte haben wirklich tolle Arbeit geleistet“, lobt die Leiterin des Kinder- und Jugendärztlichen Dienstes, der außerdem für die Beratung und sozialmedizinische Begutachtung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung, für Impfungen etwa in Schulen und die Untersuchung der vierten Klassen zuständig ist.
Toll hat derweil auch Luise die Schuleingangsuntersuchung gemeistert. „Ich kann sehen wie ein Adler und hören wie ein Luchs – das hat Frau Witt zu mir gesagt“, berichtet die Fünfjährige stolz, die sich schon jetzt auf ihre Einschulung im August freut.